Quarantäne ist keine Krankheit

17.07.2024
Arbeitsrecht
2 Minuten

In seinem Urteil vom 28. Mai 2024 (Az. 9 AZR 76/22) entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass eine behördlich angeordnete Quarantäne keine „Krankheit“ ist und somit keine Auswirkung auf den Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern hat. Das Urteil schließt eine rechtliche Unsicherheit, die durch die COVID-19-Pandemie in vielen Betrieben entstanden war.

Hintergrund des Urteils

Dem Urteil des BAG liegt der Fall eines Schlossers zugrunde, der seit über 20 Jahren bei seinem Arbeitgeber beschäftigt ist. Im Oktober 2020 nahm er acht Tage Urlaub, musste jedoch aufgrund eines Ansteckungsverdachts mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 für diesen Zeitraum und drei weitere Tage in behördliche Quarantäne. Während dieser Zeit durfte er weder seine Wohnung verlassen, noch Besuch empfangen. Der Schlosser argumentierte deshalb, dass die Quarantäne mit einer Krankheitszeit nach § 9 BurlG vergleichbar sei, was eine Anrechnung auf den Jahresurlaub rechtfertigen würde.

Das LAG Hamm gab dem Kläger in der Berufungsinstanz Recht (LAG Hamm, Urt. v. 27.01.2022, Az. 5 Sa 1030/21) und bejahte eine analoge Anwendung des § 9 BurlG auf den Fall einer Corona-Quarantäne. Diese Vorschrift sieht vor, dass die durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesenen Tage einer Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt.

Das BAG sah dies nicht so und folgte dabei der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). 2023 legte das Arbeitsgericht Ludwigsburg dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens die Frage vor, ob der Urlaubsverbrauch in einem solchen Fall mit Unionsrecht vereinbar sei. Der EuGH entschied am 14. Dezember 2023 (Az. C 206/22), dass der Arbeitgeber genommene Urlaubstage, die ein Arbeitnehmer in Quarantäne verbringen musste, nicht gutschreiben müsse. Es liege in der Risikosphäre des Beschäftigten, wenn bestimmte Ereignisse den Urlaub stören.

Klare Linie des BAG

Das BAG folgte dieser Rechtsprechung des EuGH und stellte fest, dass der Arbeitgeber die Freistellung von der Arbeit bei voller Entlohnung schuldet, jedoch keinen darüberhinausgehenden Urlaubserfolg. Damit liegt es im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers, wenn unvorhersehbare Ereignisse wie eine Quarantäne den Urlaub beeinträchtigen. Der Zweck des Urlaubs - Erholung von den arbeitsvertraglichen Pflichten und eine Zeit der Entspannung und Freizeit - wird durch eine Quarantäne grundsätzlich nicht vereitelt.

Änderung des IfSG und deren Grenzen

Ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Änderung des § 59 Abs.1 IfSG, die am 17. September 2022 in Kraft trat. Diese Regelung besagt, dass eine behördliche Absonderung durch Quarantäne nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden soll. Diese Änderung wirkt jedoch nicht rückwirkend auf den vorherigen und damit bedeutend größeren Teil der Pandemie zurück.

Fazit

Das Urteil des BAG schafft Klarheit und Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es unterstreicht, dass Quarantäne keine Krankheit ist und somit nicht die gleichen Rechte wie eine Krankheitszeit nach § 9 BurlG begründet. Arbeitnehmer müssen sich darüber im Klaren sein, dass Ereignisse, die ihren Urlaub stören, in ihre Risikosphäre fallen und der Arbeitgeber lediglich die Freistellung bei voller Entlohnung schuldet, nicht aber einen weiteren Urlaubsanspruch.

Dieses Urteil stellt sicher, dass der Urlaub weiterhin seiner primären Funktion dient: der Erholung und Entspannung. Arbeitgeber können sich darauf verlassen, dass sie nicht für unvorhersehbare Ereignisse während des Urlaubs ihrer Mitarbeiter haften, während Arbeitnehmer ihre Urlaubsplanung entsprechend anpassen müssen.

Bildnachweis:Daniel Lozano Gonzalez/Stock-Fotografie-ID:1212788676

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