Mit Urteil vom 22.09.2020 (Az. II ZR 141/19) hat der BGH klargestellt, dass der Geschäftsführer der Komplementärin einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft auch dann die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden hat, wenn er Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist.
Bei den Parteien des Rechtsstreits handelte es sich allesamt um die Gesellschafter einer GmbH & Co. KG. Der Kläger sowie die Beklagten 1 bis 4 waren Kommanditisten. Bei der Beklagten zu 5 handelte sich um die Komplementärin, eine GmbH, deren einzige Aufgabe die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft ist. Die Kommanditgesellschaft wurde im Jahr 1993 zu dem Zweck gegründet, eine Immobilie zu erwerben, weiterzuentwickeln und sie gewinnbringend zu vermieten bzw. später zu veräußern. Die Kommanditgesellschaft beauftragte einen Verwalter mit der Verwaltung der in ihrem Eigentum stehenden Immobilie sowie mit der entsprechenden Finanzbuchhaltung. Zu diesem Zweck wurde dem Verwalter auch eine Bankvollmacht erteilt. Als die Immobilie im Jahr 2015 veräußert werden sollte, stellte sich heraus, dass der Verwalter jedenfalls seit 2007 in erheblichem Umfang Gelder der Gesellschaft veruntreut hatte, indem er Handwerkerrechnungen fingiert, Verwaltervergütungen doppelt angewiesen und ihm bar übergebene Kautionen in sein Privatvermögen überführt hatte.
Der Verwalter gab gegenüber der Gesellschaft am 21.10.2015 ein notarielles Schuldanerkenntnis über 526.315,00 EUR ab, aus dem die Gesellschaft bislang allerdings keine Zahlungen erlangen konnte. Geschäftsführer der Komplementärin war der Beklagte zu 1. Ein Gutachten eines Wirtschaftsprüfers kam zu dem Ergebnis, dass der Geschäftsführer kein taugliches internes Kontrollsystem implementiert hatte. Die Gesellschafterversammlung der KG entlastete mehrheitlich in Kenntnis des Gutachtens und der Schäden die Komplementärin für die einschlägigen Geschäftsjahre. Mit der Klage macht der Kläger u.a. die Nichtigkeit der Entlastungsbeschlüsse geltend.
Der BGH hält die Entlastungsbeschlüsse nach den bisherigen Feststellungen nicht wegen treurechtswidriger Stimmrechtsausübung der Beklagten für 2 bis 4 für nichtig. Hierbei stellt das Gericht zunächst klar, dass die Entlastungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG ihre Komplementärin ohne Vorbehalt zugleich zum Ausschluss von Ansprüchen der KG gegenüber dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH führen. Das Gericht stellte hierbei insbesondere fest, dass es nicht gerechtfertigt sei, bei der Haftung des Geschäftsführers der Komplementärin, einen geringeren Maßstab anzuwenden, als gegenüber der Komplementärin selbst.
Auch wenn der Geschäftsführer Kommanditist sei, richte sich die Geschäftsführerhaftung demnach nicht nach dem Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt. Maßgeblich sei vielmehr die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers. Dieser Maßstab habe bei mittelbarer Wahrnehmung der Angelegenheiten der KG einheitlich im Verhältnis des Geschäftsführers zur Komplementär-GmbH und zur GmbH & Co. KG zu gelten. Es würde insbesondere nicht dem Willen des GmbH-Gesellschafters entsprechen, mit der Wahl eines Kommanditisten zum Geschäftsführer zugleich ein geringeres Schutzniveau für die KG und damit mittelbar auch für die GmbH als ihren Komplementär festzulegen. Eine Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse scheide aber aus, weil der klagende Kommanditist seiner Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf den Pflichtverletzungsvorwurf nicht nachgekommen sei.
Praxishinweis:
Durch die Entlastung der Geschäftsführung billigen die Gesellschafter die Amtsführung für den jeweiligen zurückliegenden Entlastungszeitraum. Unabhängig von diesem Urteil sollte jeder Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG auf eine direkte und ausdrückliche Entlastung seiner Person bestehen. Eine ausdrückliche Entlastung der Komplementär-GmbH und des Geschäftsführers stellt einen umfangreichen Haftungsschutz für den Geschäftsführer sicher.