Der BGH stellte mit Urteil vom 24.09.2020 (Az. VII ZR 69/19) klar, dass ein Anspruch des Vertragshändlers gegenüber dem Hersteller auf Auskunft über den von diesem mit dem Produkt insgesamt erzielten Rohertrag zur Durchsetzung eines Ausgleichsanspruchs nicht besteht.
Bei der Beklagten handelte es sich um eine Generalimporteurin für Fahrzeuge einer bestimmten Automarke. Sie schloss mit der Klägerin im Jahr 2003 u.a. einen Händlervertrag ab, wodurch der Klägerin ein nicht exklusives Marktverantwortungsgebiet zugewiesen wurde. Hierbei wurden Jahreszielvereinbarungen geschlossen. Zudem hatte die Klägerin die Verkaufsstandards der Beklagten einzuhalten sowie unentgeltliche Serviceleistungen unter den im Vertrag genannten Voraussetzungen zu erbringen. Sie unterlag durch den Vertrag auch Verkaufsförderungspflichten und war außerdem verpflichtet, der Beklagten sämtliche Kundendaten zu liefern.
Mit Schreiben vom 19.07.2012 kündigte die Beklagte den Händlervertrag fristgemäß zum 31.07.2014. Nach Beendigung des Vertragshändlervertrags stritten die Parteien u.a. über Ansprüche auf Auskunftserteilung. Konkret begehrt die Klägerin Informationen über von der Beklagten für die Zeit des letzten Vertragsjahres realisierten Deckungsbeiträge für bestimmte Verkäufe von Neufahrzeugen sowie Ersatzteilen. Die Klägerin benötigt diese Auskünfte zur Bezifferung ihres Ausgleichsanspruchs. Das vorinstanzliche OLG Frankfurt am Main hat der Klägerin den Auskunftsanspruch zugesprochen. Dagegen wendet sich die Beklagte nun mit dem Rechtsmittel der Revision.
Der BGH versagte der Klägerin den begehrten Auskunftsanspruch. Hierbei könne offenbleiben, ob der Klägerin ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB analog zustehe. Es könne auch dahinstehen, ob in anderen Fällen ein Auskunftsanspruch des Handelsvertreters oder Vertragshändlers gegen den Unternehmer oder Hersteller als vertragliche Nebenpflicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben in Betracht zu ziehen ist. Die von der Klägerin begehrte Auskunft betreffe den von der Beklagten mit den von der Klägerin im letzten Vertragsjahr an Neukunden vertriebenen Neufahrzeugen und Ersatzteilen erzielten bilanzrechtlichen „Deckungsbeitrag I“ (Synonym für den Rohertrag eines Produkts oder einer Produktgruppe).
Dieser Parameter sei mit den Vorteilen, die Grundlage des Ausgleichsanspruchs entsprechend § § 89 b HGB sind, nicht identisch. Die begehrte Auskunft über die von der Beklagten im letzten Vertragsjahr erzielten Deckungsbeiträge aus bestimmten Verkäufen sei daher für die Bemessung eines etwaigen Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB analog nicht aussagekräftig und daher nicht erforderlich. Zweck des § 89b HGB sei vielmehr die Abgeltung der Schaffung eines Kundenstamms durch den Vertragshändler, den der Unternehmer nach Vertragsbeendigung weiter nutzen kann. Daher hat der BGH die Klage auf der Auskunft abgewiesen. Über die noch beim Landgericht anhängige bezifferte Zahlungsklage der Klägerin muss das Landgericht noch gesondert entscheiden.
Praxishinweis:
Dem Handelsvertreter steht grundsätzlich ein Auskunftsanspruch zur Konkretisierung der Höhe des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB zu, wenn er nicht über entsprechende Kenntnisse der Unternehmensvorteile verfügt. Vom erzielten Rohertrag kann jedoch nicht auf solche Unternehmensvorteile geschlossen werden.