Gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern bei Vakanz und Übernahmeangebot

20.04.2022
Gesellschaftsrecht
1 Minute

Ist der Aufsichtsrat nicht mit der nötigen Anzahl von Mitgliedern ausgestattet, kann das Gericht diese Zahl ergänzen. In dringenden Fällen kann das Gericht eine solche Ergänzung bereits vor Ablauf von drei Monaten vornehmen, § 104 Abs. 2 S. 2 AktG. Das OLG Frankfurt hat geurteilt, dass ein solch dringender Fall besteht, wenn der Aktiengesellschaft ein Übernahmeangebot vorliegt (OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 13.01.2022, Az. 20 W 5/22; 20 W 9/22).

Was ist passiert?

Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung der Bank war der Aufsichtsrat zum Teil abgewählt und neu gegliedert worden. Er bestand ab diesem Zeitpunkt nur noch aus neun Mitgliedern, statt aus den eigentlich vorgeschriebenen zwölf Mitgliedern.

Der Aufsichtsrat hat sodann beim Amtsgericht Wiesbaden beantragt, seitens des Gerichts eine Ergänzung des Aufsichtsrats gem. § 104 Abs. 2 S. 2 AktG vorzunehmen. Er gehe von einem dringenden Fall aus, sodass das Gericht die Ergänzung auch vor Ablauf der eigentlich in § 104 Abs. 2 S. 1 AktG vorgeschriebenen Drei-Monats-Frist vornehmen könne.

Das Amtsgericht ist dieser Auffassung jedoch nicht gefolgt und hat das Begehren des Aufsichtsrats daher zurückgewiesen.

Diese Entscheidung hat das OLG Frankfurt am Main aufgehoben. Es liege vorliegend ein dringender Fall der Ersetzung vor. Die Bank stehe nachweislich vor der Übernahme. Ein Angebot eines Bieters lag unstreitig auch bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Wiesbaden vor. Aufgrund dieser Sachlage ist es nach Ansicht des OLG Frankfurt am Main zwingend erforderlich, dass der Aufsichtsrat der Bank nicht nur beschlussfähig, sondern auch vollständig besetzt ist. Das Übernahmeangebot ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Bank, sodass der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan vollständig besetzt sein soll.

Ein derartiges Übernahmeangebot stelle ein Paradebeispiel für einen dringenden Fall i.S.d. § 104 Abs. 2 S. 2 AktG dar, so das Gericht. Der Auffassung des Amtsgerichts Wiesbaden, dass zum fraglichen Zeitpunkt bereits eine Vereinbarung zwischen Bieter und Bank vorlag und daher kein dringender Fall mehr vorliege, könne nicht gefolgt werden.

Praxishinweis

Sollte ein Aufsichtsrat nicht die erforderliche Anzahl an Mitgliedern aufweisen, kann das Gericht eine Ergänzung vornehmen. Dies wird grundsätzlich aber erst nach drei Monaten Vakanz erfolgen, § 104 Abs. 2 S. 1 AktG. Nur in dringenden Fällen erfolgt die Ergänzung bereits vor der dreimonatigen Frist, § 104 Abs. 2 S. 2 AktG.

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