FG Niedersachsen zur satzungsmäßigen Vermögensbindung

18.09.2024
Gemeinnützigkeit
3 Minuten

Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat mit Urteil vom 25.04.2024 (Az. 10 K 70/21) entschieden, dass es zur satzungsmäßigen Vermögensbindung nach Maßgabe der Mustersatzung nach Anlage 1 zu § 60 AO einer hinreichend konkreten Bestimmung eines Empfängers oder zumindest eines steuerbegünstigten Zwecks im Falle des Vermögensanfalls bedarf. 

Hintergrund 

Die satzungsmäßige Vermögensbindung gemäß § 61 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO soll im Falle der Auflösung oder Aufhebung einer gemeinnützigen Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks die anschließende Mittelverwendung im steuerbegünstigten Bereich gewährleisten. Hierzu sieht die Mustersatzung nach Anlage 1 zu § 60 AO vor, dass entweder der steuerbegünstigte Destinatär namentlich bezeichnet (Nr. 1) oder – bei nicht konkretisierter Empfangskörperschaft – ein bestimmter gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zweck (z.B. Förderung von Wissenschaft und Forschung, Erziehung, Volks- und Berufsbildung, der Unterstützung von Personen, die im Sinne von § 53 der Abgabenordnung wegen […] bedürftig sind, Unterhaltung des Gotteshauses in […]) angegeben wird (Nr. 2). Andere Satzungsgestaltungen sind nicht vorgesehen.  

Sachverhalt  

Die Klägerin war eine Unternehmergesellschaft (UG), die zunächst gewerblich im Bereich spezialisierter ambulanter medizinischer Dienstleistungen für Schwerstkranke und Sterbende sowie aller damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben tätig gewesen ist. In der Folge beschlossen die Gesellschafter die Umwandlung in eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH). Hierzu wurde das Stammkapital aufgestockt und die Satzung umfassend, zur Ausrichtung auf die gemeinnützigen Zwecke, geändert. In § 5 Abs. 2 sah der Gesellschaftsvertrag vor, dass „[...] bei Auflösung oder Aufhebung der Gesellschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke [...] das Vermögen der Körperschaft soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Gesellschafter und den gemeinen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, an eine juristische Person des öffentlichen Rechts [oder] an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft [fällt] die es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige und mildtätige Zwecke zu verwenden hat.“. 

Das zuständige Finanzamt erließ in der Folge einen negativen Feststellungsbescheid gemäß § 60a Abs. 1 AO, mit der Begründung, dass der Gesellschaftsvertrag nicht den inhaltlichen Anforderungen der Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60 AO) entspreche und deshalb nicht die satzungsmäßigen Voraussetzungen der §§ 51, 59, 60 und 61 AO erfülle. Weder der angegebene Unternehmens-/Satzungszweck noch die geregelte Vermögensbindung seien hinreichend klar und umfassend formuliert. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Zu Recht, wie das FG Niedersachsen nun entschied. 

Entscheidung des Gerichts 

Der Senat stellt zunächst voran, dass es ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei, dass außerhalb des Gesellschaftsvertrags getroffene Vereinbarungen, Regelungen in anderen Verträgen oder eine ggf. den steuerbegünstigten Zwecken tatsächlich entsprechende Geschäftsführung (§ 63 AO) bei der Bewertung des Vorliegens der satzungsmäßigen Voraussetzungen außer Acht blieben. Die Einbeziehung außerhalb der Satzung liegender Begleitumstände oder des nicht in der Satzung manifestierten Willens der Gesellschafter würde dem Gebot des Buchnachweises widersprechen. Demnach seien der Satzungszweck und die Art der Verwirklichung soweit wie möglich im Gesellschaftsvertrag zu konkretisieren, um der Finanzbehörde leicht und einwandfrei eine Überprüfung der Voraussetzungen der Steuervergünstigung zu ermöglichen.  

Aus dieser strengen Auffassung des BFH ergebe sich für den vorliegenden Fall, dass die gewählte Formulierung des Vermögensanfalls nicht den formellen Anforderungen der satzungsmäßigen Vermögensbindung genüge. Es müsse bereits auf Basis der Satzung zu erkennen sein, welcher begünstigten Körperschaft bzw. zumindest welchem steuerbegünstigten Zweck die Mittel im Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke zufließen sollen. Die gewählten Oberbegriffe “gemeinnützig” und “mildtätig” seien gemeinhin zu unbestimmt, um eine individualisierte Zweckbindung des übergehenden Vermögens zu gewährleisten.  

Durch die Zusammenfassung zweier unbestimmter Begriffe werde nicht klarer, was gemeinnütziges bzw. mildtätiges Tätigwerden aus Sicht der Klägerin genau meine. Ohne nähere Umschreibung blieben die Formulierungen der Klägerin konturenlos und in gewisser Hinsicht auch beliebig und damit insgesamt zu unbestimmt. Eine Beurteilung aufgrund des Gesellschaftsvertrages, ob durch die spätere Verwirklichung der angegebenen Zwecke ausschließlich die Allgemeinheit (gemeinnützig) und hilfebedürftige Personen (mildtätig) selbstlos gefördert werden, sei nicht möglich.  

Mithin sei die Klage daher unbegründet. Die Revision zum BFH wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls und zur Fortbildung des Rechts werde zugelassen.  

Ausblick 

Das Urteil des FG Niedersachsen fügt sich in die finanzgerichtliche Rechtsprechung zur satzungsmäßigen Vermögensbindung ein, wir berichteten bereits vor kurzem über einen ähnlich gelagerten Fall (BFH beschäftigt sich mit der satzungsmäßigen Vermögensbindung (schomerus.de)). Es bleibt deutlich, dass sich gemeinnützige Organisationen an den Wortlaut der Mustersatzung der Anlage 1 zu § 60 AO zu halten haben, andernfalls droht die Nichtanerkennung bzw. Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Der vorliegende Sachverhalt ist mittlerweile unter dem Az. V R 10/24 beim BFH anhängig – wir werden an geeigneter Stelle über das Urteil berichten. 

Bildnachweis:Dorin Puha/Stock-Fotografie-ID:1490413913

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