Zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen hat das BMF mit Schreiben vom 4. September Stellung genommen.
Mit Verweis auf ein Urteil vom 28. September 2022 mit dem der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat, dass ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung einer GmbH, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zugrunde zu legen ist, nimmt das BMF wie folgt Stellung:
Zunächst wird festgehalten, dass der BFH mit seinem Urteil ausdrücklich der Aussage im BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2013 widerspricht, wonach die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung einer GmbH voraussetzt, dass entweder im Gesellschaftsvertrag ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile im Gesellschaftsvertrag festgesetzt wurde oder die Satzung eine Klausel enthält, nach der alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann.
Aus Sicht des BMF gilt zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen jetzt Folgendes:
Inkongruente – also vom Anteil am Grund- oder Stammkapital abweichende – Gewinnausschüttungen sind steuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen, wenn sie zivilrechtlich wirksam sind. Dies ist insbesondere in den folgenden Fällen gegeben:
a) Abweichende Regelung der Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag
Es wurde im Gesellschaftsvertrag ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile festgesetzt und die Ausschüttung entspricht diesem Verhältnis. Für eine nachträgliche Änderung des Gesellschaftsvertrags zur Regelung einer inkongruenten Gewinnverteilung ist die Zustimmung derjenigen Gesellschafter erforderlich, die von der Veränderung nachteilig betroffen sind.
b) Öffnungsklausel für abweichende Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag
Der Gesellschaftsvertrag enthält eine Klausel, nach der mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter eine von der satzungsmäßigen oder gesetzlichen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann, und der Beschluss ist mit den erforderlichen Gesellschafterzustimmungen und der ggf. im Gesellschaftsvertrag bestimmten Mehrheit gefasst worden.
c) Punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss
Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung mit den Stimmen aller Gesellschafter gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, ist nach dem o.g. Urteil des BFH als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zugrunde zu legen. Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss liegt vor, wenn seine Wirkung sich in der betreffenden Maßnahme als Einzelakt erschöpft, sodass die Satzung durch den Beschluss zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden soll.
Ein satzungsdurchbrechender Gesellschafterbeschluss, der einen vom Regelungsinhalt der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand mit Dauerwirkung (und sei es auch nur für einen begrenzten Zeitraum) begründet, ist (selbst im Fall eines einstimmig gefassten Beschlusses) nichtig, wenn bei der Beschlussfassung nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung eingehalten werden.
d) Gespaltene Gewinnverwendung, zeitlich inkongruente Gewinnausschüttung
Im Urteil vom 28. September 2021 hat der BFH entschieden, dass ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallene Anteil am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen ist. Dies gilt auch dann, wenn zugleich die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden. Die Einstellung eines Gewinnanteils in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führt auch bei einem beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen.
Bei einer AG sind inkongruente Gewinnausschüttungen nur anzuerkennen, wenn in der Satzung ein vom Verhältnis der Anteile am Grundkapital abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt wurde und die Ausschüttung diesem Verhältnis entspricht. Eine inkongruente Gewinnausschüttung aufgrund einer Öffnungsklausel in der Satzung oder eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses erfüllen diese Voraussetzung nicht.
Insgesamt ist erfreulicherweise festzuhalten, dass das BMF mit seiner einsichtigen Stellungnahme nun mehr Sicherheit bei inkongruenten Gewinnausschüttungen gegeben hat. Damit diese auch sicher und unangreifbar durchgeführt werden können ist jedoch hinsichtlich formeller Anforderungen erhöhte Sorgfalt geboten. Dabei unterstützen wir Sie gern.
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