Erst Ende 2022 hatten wir über die im am 20. Dezember 2022 ergangenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) zur Verjährung von Urlaubsansprüchen berichtet. Das BAG hatte entschieden, dass die regelmäßige Verjährungsfrist bei nicht genommenem Urlaub nicht beginnt, wenn der Arbeitgeber nicht entsprechend der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus 2018 seine Mitwirkungspflichten gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt hat, um einen Urlaubsverfall zu verhindern. Mit seiner am Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung zum Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 456/2 hat das BAG klargestellt, dass diese Rechtsprechung nicht für den sog. Urlaubsabgeltungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt.
Für die nach § 7 Abs. 4 BUrlG vorgesehene finanzielle Abgeltung von nicht rechtzeitig vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses genommenen Urlaubs gilt auch weiterhin die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese beginnt regelmäßig am Ende des Kalenderjahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet. Für Altfälle gewährt das BAG jedoch einen Vertrauensschutz: Da das BAG selbst bis 2018 davon ausging, dass Urlaubsansprüche unabhängig von etwaigen Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers spätestens mit Ablauf eines Übertragungszeitraum automatisch verfielen und diese Rechtsprechung infolge der Entscheidung des EuGH aus 20218 aufgegeben wurde, gilt für Abgeltungsansprüche aus Arbeitsverhältnissen, die vor 2018 beendet wurden, frühestens das Jahr 2018 als Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist. Denn erst zu diesem Zeitpunkt seien Arbeitnehmer gehalten gewesen, Urlaubsabgeltungsansprüche gerichtlich geltend zu machen.
Die in der Praxis befürchtete massenhafte und unbegrenzte nachträgliche Geltendmachung von Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüchen aufgrund der in der Vergangenheit unterbliebenen Hinweise des Arbeitgebers auf den drohenden Urlaubsverfall aus teilweise längst beendeten Arbeitsverhältnissen wird durch diese Rechtsprechung deutlich beschränkt. Urlaubsabgeltungsansprüche aus Arbeitsverhältnissen, die spätestens Ende 2019 geendet haben, sind mit dem 31.12.2022 bereits verjährt. Für Arbeitsverhältnisse, die jedoch frühestens im Laufe des Jahres 2020 geendet haben, kann der Urlaubsabgeltungsanspruch aber noch unbegrenzt auch für vor 2018 liegende Jahre nachträglich geltend gemacht werden. Gleiches gilt für Abgeltungsansprüche bezogen auf die Jahre ab 2020.
Das BAG unterscheidet bei der Verjährung zwischen Urlaubs- und sog. Urlaubsabgeltungsansprüchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Begründet wird dies zutreffender Weise mit dem Umstand, dass die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zäsur bildet. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Daher sei es dem Arbeitnehmer auch zuzumuten, innerhalb der dreijährigen Regelverjährung die Urlaubsabgeltungsansprüche geltend zu machen. Damit hat das BAG zwar einen erheblichen Beitrag zum Rechtsfrieden geschaffen, in dem es Arbeitnehmern verwehrt ist, für längst beendete Arbeitsverhältnisse rückwirkend - möglicherweise sogar für Jahrzehnte - Urlaubsabgeltung zu verlangen, gleichzeitig bleibt dieses Risiko für noch laufende oder erst nach 2019 beendete Arbeitsverhältnisse bestehen. Hier drohen weiterhin erhebliche Nachforderungen für Arbeitgeber. Im vom BAG entschiedenen Fall musste der Arbeitgeber letztendlich immerhin EUR 37.416 nachzahlen. Umso wichtiger ist es daher für Unternehmen, interne Prozesse im Hinblick auf Urlaubsansprüche an den vom EuGH entwickelten Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheiten auszurichten.